Martin Sluka
Pirckheimerstraße 1
D-91207 Lauf



Herrn
OStD S. Ziegler
Geschwister-Scholl-Platz 1

D-90552 Röthenbach


Lauf, 24. Februar 1995

Sehr geehrter Herr Ziegler,

im Zusammenhang mit dem unlängst gegen mich ausgestellten Verweis (siehe Anlage) von dem Sie, wie ich aus Ihrer Unterschrift auf jenem Dokument schließe, bereits Kenntnis erlangt haben, möchte ich mich an Sie als Leiter der Schule und an der Sache Unbeteiligten und damit — wie ich hoffe — neutralen Dritten wenden.

Den Verweis kann ich aus mehreren Gründen nicht akzeptieren. Bevor ich auf diese jedoch näher eingehe, möchte ich zunächst den zugrundeliegenden Sachverhalt aus meiner Sicht schildern.

Am Dienstag, 22. Februar 1995, wollte ich mich in der zweiten Pause, etwa gegen 11:25 Uhr, in den Kunst-/Sporttrakt begeben, um dort Herrn Dusik in dessen Eigenschaft als Redaktionsmitglied des Jahresberichts unseres Gymnasiums zu konsultieren, da ich plane, zur diesjährigen Ausgabe einen Artikel beizusteuern und diesbezüglich noch einige Fragen hatte. Zuvor, zu Beginn der Pause, hatte ich mich in dieser Sache bereits mit Herrn Walther, seinerseits bekanntlich ebenfalls Redakteur des Jahresberichts, am Seminarraum ("kleines Lehrerzimmer") G002 besprochen. Herr Walther hatte jedoch eingeräumt, daß Herr Dusik im konkreten Fall der kompetentere Ansprechpartner wäre und mich daher ausdrücklich gebeten, diesen im Kunsttrakt aufzusuchen, wo er sich nach Herrn Walthers Angaben zu dieser Zeit voraussichtlich aufhielte.

Daher beabsichtigte ich, um den Rest der Pause zu nutzen, mich umgehend dorthin zu begeben. Dabei begleitete mich mein Schulkamerad Rainer Ruder (ebenfalls K13). Unterwegs kam es jedoch unmittelbar am Eingang zum Sporttrakt, den ich auf meinem Weg zu Herrn Dusik passieren mußte, zu einer Auseinandersetzung mit Herrn Wittmann, infolge derer sich letzterer offensichtlich veranlaßt sah, den beigelegten Verweis auszustellen.

Damit Sie sich ein Bild von jenem Zusammentreffen machen können, habe ich versucht, den Gesprächsverlauf mit Rainers Hilfe zu rekonstruieren; während ich selbst dazu nicht in der Lage gewesen wäre, konnte er sich glücklicherweise noch recht genau erinnern. Das Gespräch verlief folgendermaßen.

Rainer und ich wollen den Sporttrakt betreten.
HERR WITTMANN mit eindeutig in Richtung Haupttrakt weisender Geste: Raus!
ICH: Ich muß zu Herrn Dusik.
HERR WITTMANN: Mußt du nicht.
ICH: Ich muß ihn etwas wegen des Jahresberichtes fragen.
HERR WITTMANN: Das kannst du wannanders tun.

An dieser Stelle möchte ich zwei Anmerkungen einfügen. Zum einen ist zu erkennen, daß Herr Wittmann sich offensichtlich bereits an diesem Punkt des Gespräches in einer Streßsituation befand; nur so kann ich mir erklären, daß er, obwohl ihm — wie später noch deutlich werden wird — bekannt war, daß ich die 13. Jahrgangsstufe besuche, ins familiäre "Du" verfiel.

Zum anderen finde ich Herrn Wittmanns Bemerkung auch hinsichtlich ihres Inhaltes nicht gerechtfertigt. Ich wollte die offenen Fragen mit Herrn Dusik möglichst bald klären, um mit der Arbeit an dem Artikel beginnen zu können, und war mir nicht sicher, ob ich ihn nach Unterrichtsschluß noch angetroffen hätte. Zudem sah und sehe ich bisher keinen rationalen Grund, der dagegen gesprochen hätte, den Sport-/Kunsttrakt zu diesem Zweck und diesem Zeitpunkt zu betreten, insbesondere versäumte Herr Wittmann bislang, mir einen solchen Grund zu nennen.

Obwohl auch Rainer, wie er mir berichtete, keinen rechten Sinn in Herrn Wittmanns Anweisung zu erkennen vermochte, zog er es vor, da er selbst unmittelbar kein wichtiges Anliegen hatte, das es nötig gemacht hätte, den Sport-/Kunsttrakt zu betreten, ihr Folge zu leisten, wenngleich er sich, wie er sagt, durch das von Beginn an forsche und unfreundlich-gereizte Auftreten Herrn Wittmanns ebenfalls angegriffen, fast etwas verletzt fühlte.

Rainer bestätige mir gegenüber auch, daß ich die kurze Unterhaltung — anders als Herr Wittmann — zumindest zunächst in einem bestimmten, aber freundlichen Ton geführt hätte; ich vertraue in diesem Punkt seiner Schilderung, möchte mir selbst eine solche Feststellung allerdings nicht anmaßen, da mir mein bisweilen etwas hitziges Gemüt aus jahrelanger leidvoller Erfahrung bestens bekannt ist.

Weil ich mir selbst deshalb auch nicht das Recht einräumen möchte, den ersten Stein zu werfen, möchte ich erwähnen, daß ich — im Nachhinein — Herrn Wittmanns uns gegenüber meines Erachtens unangebrachte und unbegründete Unfreundlichkeit bis zu einem gewissen Grade durchaus nachvollziehen kann, da die Durchführung der Pausenaufsicht an diesem Nadelöhr sicherlich kein besonderes Vergnügen darstellt; während man nach vier anstrengenden Unterrichtsstunden eigentlich viel lieber die wohlverdiente Pause genießen würde, sieht man sich zwangsläufig mit einer Vielzahl verschiedenster Schüler und deren Anliegen konfrontiert, muß sich mit ihnen wohl oder übel auseinandersetzen — da kann es gut sein, daß man nach einiger Zeit die Beherrschung verliert.

Während mein Kamerad sich also zunächst zurückzog — er begab sich allerdings, so erläuterte er mir später, auf dem um den Kunsttrakt herumführenden Außenweg auf Umwegen dennoch zu Herrn Dusiks Zimmer, wo ich inzwischen jedoch nicht mehr anzutreffen war — eskalierte die Situation, denn da ich — nicht anders als Herr Wittmann — inzwischen wohl auch etwas gereizt war, maßte ich mir an, entgegen seiner Anweisung den Kunsttrakt zu betreten; ich kommentierte die mir in diesem Moment etwas grotesk erscheinende Situation unüberlegterweise mit den Worten "Martin Sluka, K13 — bitte geben Sie mir einen Verweis", worauf Herr Wittmann entgegnete "Ich weiß."; meiner Ansicht nach bezog sich diese Aussage auf meine Identität (s.o.). Im Nachhinein muß ich mir — zugegebenermaßen — wohl auch den Vorwurf gefallen lassen, Herrn Wittmann nicht ausdrücklich auf den für mich gegebenen Ironiegehalt meiner Äußerung hingewiesen zu haben, da Herr Wittmann in dieser angespannten Situation verständlicherweise nicht in der Lage sein konnte, diesen eigenständig zu erfassen.

Der Rest der Ereignisse läßt sich in wenigen Sätzen zusammenfassen. Im Kunsttrakt angelangt eröffnete mir Frau Christoffers, daß Herr Dusik offensichtlich gar nicht anwesend sei, sondern vielmehr eine Tasse Kaffee trinken gegangen wäre, woraufhin ich mich auf den Weg zum (großen) Lehrerzimmer und damit Rückweg aus dem Sport-/Kunsttrakt begab. Herr Wittmann, der sich immer noch "auf meinen Fersen" befand, kündigte mir indessen an, dieses Verhalten werde für mich Konsequenzen haben (siehe Anlage); von einem Verweis war von seiner Seite jedoch zu keiner Zeit die Rede.

Ich unternahm in diesem Moment noch einen letzten Versuch, Herrn Wittmann von der Notwendigkeit und Dringlichkeit meiner Unterredung mit Herrn Dusik zu überzeugen und mein Verhalten somit etwas plausibler zu machen, indem ich ihn darüber informierte, daß Herr Walther mich explizit zu Herrn Dusik geschickt hatte; Herr Wittmann kommentierte dies lediglich mit den Worten: "(Das) hat er nicht." Diese auf den ersten Blick sicherlich ein wenig unqualifiziert erscheinende Bemerkung läßt sich eigentlich auch nur durch die angespannte psychische Lage Herrn Wittmanns erklären; ich schlug ihm vor, meine Aussage durch Befragung Herrn Walthers zu verifizieren; anschließend bat ich zusätzlich Herrn Walther, Herrn Wittmann von der Richtigkeit meiner Angaben in Kenntnis zu setzen, was dieser auch tat. Auch ihm schien Herr Wittmann äußerst gereizt.

Zusammenfassend möchte ich sagen, daß es, wie ich inzwischen erkenne, sicherlich nicht richtig war, mich quasi gewaltsam Herrn Wittmanns Anweisung zu widersetzen. Allerdings möchte ich zu bedenken geben, daß ich in einer Art Affekt gehandelt habe, der meines Erachtens in erster Linie durch die von Anfang an gegebene unfreundliche Behandlung seitens Herrn Wittmanns und der Tatsache, daß er es nicht fertigbrachte, mir einen Grund für sein Verbot zu nennen, zustande kam.

Daher finde ich die in der Anlage nachzulesende Begründung des ausgesprochenen Verweises stark überzogen; Herrn Wittmanns Darstellung der Ereignisse scheint mir äußerst subjektiv, der Verweis daher nicht gerechtfertigt.

Seit diesem Vorfall ist Herr Wittmann nicht mehr an mich herangetreten; insbesondere gab er mir keine Gelegenheit zur Äußerung zu der von ihm verhängten Ordnungsmaßnahme, wie dies nach Art. 86, Abs. 8 BayEUG ausdrücklich vorgesehen ist. Daher war ich sehr erstaunt, daß überhaupt ein Verweis gegen mich ausgesprochen werden soll.

Zudem verwunderte es mich etwas, daß der Verweis mich nur auf Umwegen erreichte, er wurde mir nämlich freundlicherweise von meinen Eltern zur Verfügung gestellt, an die er adressiert war. Angesichts der Tatsache, daß ich im Oktober des laufenden Kalenderjahres bereits mein zwanzigstes Lebensjahr vollenden werde, finde ich dieses Vorgehen höchst seltsam und kann mir nur vorstellen, daß es sich hierbei um ein bedauerliches Versehen handeln muß, daher würde mir eine formlose Entschuldigung des oder der Verantwortlichen vollstens genügen, schließlich kann jede(r) einmal einen Fehler machen.

Mit freundlichen Grüßen,

(gez. Martin H. Sluka)




Anlage

1 Verweis


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